Pflege von Angehörigen: Eine animierte Puppe kann helfen

Das ist die Überschrift auf der Website des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für das mit 1,65 Mio. geförderte Projekt „OurPuppet“. Der besondere Fokus liegt augenscheinlich auf der Betreuung von Menschen mit Demenz. Laut Homepage soll die technische Entwicklung der Puppe vorangetrieben werden, damit sie später Kuscheltier, Messinstrument und Kommunikationspartner zugleich sein soll. Darauf hat die Demenzwelt gewartet. https://www.bmbf.de/de/eine-animierte-puppe-hilft-in-der-pflege-2853.html

Es heißt weiter: „Pflegebedürftige Angehörige guten Gewissens allein zu Hause lassen? Viele haben Angst, dass gerade dann etwas passiert. Eine interaktive Stoffpuppe könnte in solch einem Fall helfen – um den Kranken zu beruhigen und Hilfe zu organisieren.“ Da freuen sich doch schon jetzt alle, die zuhause einen Demenzerkrankten pflegen auf die tatkräftige Hilfe einer einfältig grinsenden Stoffpuppe.

Als wäre das nicht schon fragwürdig genug anlässlich von schon einigen entwickelten Plüschviechern wie „Paro“, „Justocat“ oder sonstwas, ist der Anlass für diesen Beitrag  allerdings ein anderer. Nämlich ein Beitrag von den beauftragten Forschern der Hochschule für Gesundheit Bochum und dem Institut für Gerontologie der TU Dortmund in der Februar Ausgabe der Zeitschrift für Gerontologie + Geriatrie. Auf 10 Seiten wird dort der Ansatz „PuppetBegleitung“ vorgestellt. Also wie die Puppe in der Praxis erprobt wurde. Beeindruckend!

Es wurden erst einmal 14 freiwillige Puppenbegleiter rekrutiert (aus dem Bundesmodellprojekt „Pflegebegleiter“) die zumindest schon auf die Begleitung von pflegenden Familien kompetent vorbereitet waren. Diese absolvierten dann ein Schulungsprogramm mit 8 Terminen á 6 Unterrichtseinheiten. Das Curriculum für die PuppenBegleitung umfasst ja schließlich 27 relevante Themen im Vorbereitungskurs. Der Umgang mit Roboterpuppen will gut gelernt sein! Vom unvermeidlichen Datenschutz (wahrscheinlich falls die Puppe Geheimnisse weiterplaudert) über technische Probleme bis hin zur Eigenreflektion. Ausgewertet mit Fragebögen, SPSS und inhaltsanalytische Kategorienbildung. Wenn schon, denn schon. Man will ja wissen, wie so ein Kurs ankommt. Danach ging es in Tandems an die Arbeit um zu testen wie es in der Praxis läuft.

Bei dem eigentlichen Praxistest in den Familien wurde es dann aber etwas wunderlich. Die Puppe wurde bei ganzen 5 Familien getestet. Eine Familie davon ist abgesprungen. Letztendlich war N=4. Von diesen wurde aber ganz korrekt eine Tabelle erstellt mit allen statistischen Daten. Sonst hätten die Forscher ja auch sicher den Überblick verloren.  Ist es einer Hochschule eigentlich gar nicht peinlich, solch eine „Studie“ zu veröffentlichen die angesichts der verschwindend geringen Teilnehmerzahl nicht mal ansatzweise brauchbare Daten liefert? Die Forscherinnen haben aber scheinbar noch sich abzeichnende Trends erkannt. Respekt. Da braucht es ein geübtes Auge.

Aber vielleicht war ja auch die Ausbildung der PuppenBegleiter der eigentliche Forschungsansatz. Zumindest die Daten sind ja ein wenig aussagekräftiger. Nur dann scheint das oben gelesene Versprechen der Forschungsministerium etwas merkwürdig.

Im Kompetenzzentrum Demenz Schleswig-Holstein testen wir auch immer wieder neue Technik auf ihre Tauglichkeit und Praxisrelevanz. Wir nennen es nur nicht explorative Studie, sondern schlicht Praxistest. Und treffen dann auch keine allgemeingültigen Aussagen, sondern berichten von unseren  – und den der Betroffenen – gemachten Erfahrungen. Nicht mehr und nicht weniger. Und deutlich mehr als 4 Teilnehmer haben wir immer.

Kleines Bonmot am Rande: es gibt auch mehr als doppelt so viele Kooperations- und Projektpartner als Teilnehmer!!

Ach ja, das Ergebnis der „Studie“ fehlt noch:  die PuppenBegleiter waren in den Familien gern gesehen und haben Freude und Spaß bereitet. Die Betroffenen erlebten Abwechslung, Unterhaltung, soziale Kontakte, zwischenmenschliche Begegnung und Anregung zur Aktivität. Wer mit Menschen mit Demenz und deren Familien arbeitet weiß: das wäre auch ohne die Puppe sehr wahrscheinlich gewesen. Denn wenn empathische und gut ausgebildete freiwillig Engagierte sich interessieren, unterstützen und Zeit haben, geht es Betroffenen und Angehörigen i.d.R. immer besser.

Prolog

Falls Sie denken, 1,65 Mio. € sind ja ganz schön viel Geld. Weit gefehlt. Nun wird das Projekt “ RUBYDemenz“ gefördert. In diesem Folgevorhaben wird „die Wirksamkeit und Optimierung einer personalisierten Mensch- Roboter-Interaktion untersucht, die als Beitrag zur Förderung „guter Pflege“ eine Unterstützung, Stabilisierung und Entlastung in der häuslichen Pflege von Menschen mit Demenz für pflegende Angehörige ermöglichen soll“. Mit 2,2 Mio. €. Respekt! Gute Lobbyarbeit.

Vielleicht schaffen sie ja diesmal 8 Familien zu rekrutieren. Das wären dann schon 100% mehr! Ich bin gespannt und vor allem jetzt schon sicher, dieses Geld wäre an anderer Stelle sicher besser aufgehoben.