Schon mal vom „Team Wal“ aus Österreich gehört? Die meisten wahrscheinlich nicht. Vielleicht ein paar Demenzexperten oder Pflegekräfte. Ist ja auch noch ziemlich frisch auf dem Markt. U.a. mit einer psychologischen Praxis und Kreativ- und Sinneswerkstatt. Credo: Erfahrene Psychologen, Coaches und Experten begleiten Sie rund um die Themen Alter & Gesundheit.
Unter anderem hat sich das Team um den ehemaligen Geschäftsführer des Demenz Support Stuttgart, Peter Wissmann, auch das Thema „Anders sprechen über Demenz“ auf die Fahnen geschrieben. Kurz vorab: ich persönlich schätze Peter Wissmann als Menschen und Querdenker zum Thema Demenz. Nur haben wir manchmal total verschiedene Sichtweisen über Dinge. Und ab und an schießt er eben übers Ziel hinaus.
Es geht also wieder einmal um die Abschaffung des Begriffs „Demenz“.
Wieder einmal, weil vor einigen Jahren genau dieses Thema schon ziemlich umfassend diskutiert wurde. Auch damals hat ein kleine Gruppe um Peter Wissmann für die Abschaffung des Begriffs Demenz geworben. Scheint nun wohl eine Lebensaufgabe zu werden. Aber ich vermute, auch diesmal wird es sich nicht durchsetzen. Nicht einmal der Demenz Support Stuttgart hat es ja in den vielen Jahren seines Wirkens geschafft das Wort Demenz zu ersetzen. Irgendwie fast schon amüsant.
Der neu propagierte Begriff ist nun also: „Neurokognitive Behinderung (früher: Demenz)“. Mit dem Argument das zum einen das Internationale Klassifikationssystem DSM-5 den Begriff „Neurokognitive Störung“ benutzt, zum anderen weil viele Menschen mit Demenz den Begriff Demenz ablehnen.
Zum einen: In Deutschland und den meisten europäischen Ländern wird das DSM-5 überwiegend nur für Forschungszwecke und nicht einmal zur Diagnose genutzt. Es ist also fast ausschließlich ein von Ärzten und Wissenschaftlern genutzter Begriff.
Zum anderen: ich und meine Mitstreiter haben in ihrer langjährigen Tätigkeit so gut wie keine Menschen mit Demenz getroffen, die sich durch den Begriff Demenz diskriminiert gefühlt haben.
Beim Begriff Demenz ist laut „Team Wal“ früher vom gnadenlosen Verfall und Grauen die Rede. Heute ist er abwertend, von Angstbildern wie Hilflosigkeit oder den Verlust von Würde geprägt. Wird verbunden mit Verlust und Geistlosigkeit.
Aus meiner Sicht ist es nun aber völlig egal wie ich eine Demenz nenne, der unaufhaltsame Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit bis hin zur völligen Hilflosigkeit werden immer und jedem Angst machen. Und solange Demenzerkrankungen nicht geheilt werden können, werden sie immer ein Schreckensgespenst sein. Wir würden ja auch niemanden die Angst vor Krebserkrankungen nehmen, wenn wir den Krebs einfach anders benennen. Der Zusatz (früher Demenz) erscheint bei dem ganzen „Abgeschaffe“ dann irgendwie schon wieder lustig.
Mein geschätzter Kollege Jochen Gust sagte mir dazu: „Wenn jemand die Diagnose Demenz bekommt, darf das Angst machen. Wenn man mir eines Tages die Diagnose Krebs oder Demenz oder irgendwas was nicht heilbar ist mitteilt und einen schwierigen Weg vorzeichnet, wird das in irgendeiner Form Angst auslösen . Das anders zu verpacken mindert die Angst nicht, sondern im Gegenteil, würde mein Misstrauen fördern. Warum auf Klarheit verzichten? Können Betroffene, Angehörige, Pflegefachleute nicht aushalten (oder lernen), dass man die Dinge beim Namen nennt?“
Recht hat er. Wir beide glauben, dass die Problematik die Herr Wissmann zu erkennen glaubt, einfach vom Team Wal kräftig überhöht wird
Auch die 4 Feststellungen oben sind für mich Nonsens:
Angebote für Betroffene wirken auf die Zielgruppe oft abschreckend – Ich arbeite seit fast 20 Jahren mit Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen. Nur ganz selten habe ich gehört, das ein Angebot nicht passt oder angenommen wurde, weil das Wort Demenz im Angebot zu finden war. Ganz im Gegenteil, diese Angebote wurden und werden schnell gefunden und bei allen Alzheimer Gesellschaften gern und oft angenommen.
Inhalte. und Informationen erschlagen eher und lösen Angst aus, als Hilfe und Orientierung zu geben – Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen suchen nach der Diagnose Hilfe und Rat. Bestenfalls bei ihrem Arzt oder bei entsprechenden Beratungsstellen. Die Informationen geben Hilfe und Orientierung. Vorausgesetzt der Arzt/Berater informiert einfühlsam und ist umfassend informiert. Das die Diagnose Demenz Angst auslöst wird jede noch so tolle Broschüre oder Beratung nicht verhindern können. Es ist doch ein Irrglauben, dass Informationen über eine nicht heilbare Krankheit die wahrscheinlich zu völliger Hilflosigkeit führt, keine Angst macht. Und die Behauptung von Herrn Wissmann das Pflegestützpunkte oder Demenzberatungsstellen den Bedarf von Menschen mit Demenz meist nicht treffen ist aus meiner Sicht nicht nur falsch, sondern fast schon unverschämt den engagierten Menschen gegenüber. Vielleicht kann das aber in einer Blase mit scheinbar nur frühbetroffenen Aktivisten schnell übersehen werden. Das Gegenteil ist der Fall.
Bedürfnisse von Frühbetroffenen werden nicht abgedeckt – Unstrittig haben Frühbetroffene andere Bedürfnisse als Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz. Leider sieht die Praxis aber so aus, das sich bei Angeboten für Frühbetroffene sich kaum Menschen melden. Diese Menschen versuchen i.d.R. ihr Leben weiter zu leben und nicht die Demenz in den Vordergrund zu rücken. Herr Wissmann wird es aus eigener Erfahrung kennen. Man findet nur selten Menschen mit Demenz im Frühstadium die bereits sind sich in der Öffentlichkeit zu äußern. Auch Angebote für Frühbetroffene werden wenig genutzt. Aus meinen persönlichen Erfahrungen aber nicht aus Angst oder „falschen“ Angeboten, sondern aus dem oft geäußerten Wunsch heraus die noch verbleibende Zeit für sich und die Familie „ganz normal“ zu nutzen. Richtig so! Ich würde es nicht anders machen. Die Frühbetroffenen die an die Öffentlichkeit gehen, haben meinen vollsten Respekt. Das ist gut und wichtig für unsere Arbeit. Aber ist eben nur eine verschwindend kleine Zahl.
Bild und Textsprache arbeiten gegeneinander und sagen Unterschiedliches aus – Hier könnte man streiten. Sicher sind manche Bilder in der Öffentlichkeit nicht immer glücklich gewählt. Aber ein schwindende geistige Leistungsfähigkeit lässt sich bei einer Demenz ja nun mal schlecht leugnen.
Ein letzter Satz noch vor dem Fazit: Schon immer haben mich „Demenzromatiker“ aufgeregt, die versuchen einer Demenz etwas positives abzugewinnen. Eine Demenzerkrankung ist nicht positiv. Es ist nicht toll im „hier und jetzt“ zu leben oder „frei zu sein von sozialen Zwängen“ wenn man keine andere Wahl hat. Nichts daran ist schön, die geistige Leistungsfähigkeit schwinden zu sehen und bei fortschreitender Erkrankung auf die ständige Hilfe anderer Menschen angewiesen zu sein. Jeder Betroffene kann und sollte versuchen das Beste aus seiner persönlichen Situation zu machen. Nicht mehr und nicht weniger.
Fazit:
Wir sollten uns wichtigeren Dingen widmen als wieder einmal den Begriff Demenz abschaffen zu wollen. Die Krankheit macht Angst. Nicht das Wort. Stigmatisierung beende ich nicht durch Abschaffung von Begriffen, sondern durch stetiges Handeln und Aufklärung. Genau das was z.B. die Alzheimer Gesellschaften machen. Und ja, sicher gibt es da Verbesserungspotenzial. Deshalb sollten wir unsere Energie und Engagement auch genau dort hinleiten.
Früher wurde von Dementen geredet. Jetzt von Menschen mit Demenz oder Menschen mit demenziellen Beeinträchtigungen. Das ist ja schon mal eine deutliche Entwicklung. Vielleicht wird sich das weiter verändern. Ähnliches erleben wir ja gerade bei der Diskussion um die Gendersprache. Auch das Team Wal wünscht sich diesbezüglich Diskussionen und Infragestellungen. Prima, dann kann der Beitrag hier gleich dazu verstanden werden.