Ich bin jetzt Frequent Traveller!

Miles & More sei Dank. Bis Februar 2022 Freigepäck, Business-Lounge, Priority Check-In, Fast Lane, usw.. Klingt schon ziemlich bequem für jemanden der viel unterwegs ist. Ich freu mich!

Ich habe es in diesem Jahr auf 31 Flugsegmente gebracht. Ausgerechnet in diesem Jahr. Im „Friday for future – Jahr“. Ich sollte mich schämen! Aber so was von.

Im Klimaschutz – „am besten alles gesetzlich regeln oder verbieten“ -Jahr. Zum Beispiel kein Auto, sondern Fahrrad fahren, Urlaub am besten nur in der Heimat, Pappbecher vermeiden, Plastik völlig vermeiden, Kaminofen nicht anmachen, vegan ernähren und Flugscham haben. Also zumindest auf innerdeutsche oder noch besser auf europäische Flüge verzichten. Immerhin machen die Flüge vom deutschen Boden wohl rund 0,08 % des weltweiten CO2 aus.

Um vieles davon habe ich mir Gedanken gemacht und handele im Alltag danach, aber besonders das Auto und eben 31 Flugsegmente machen alles kaputt. Alles. Voll die Umweltsau. Ich bin einer von denen, der unserer Welt den Rest gibt. Ich hab mir einen Shitstorm verdient. „How dare you“!

Aber wie ist es dazu gekommen? Und die dazugehörige wichtige philosophische Frage: war das im Sinne einer anderen guten Sache vielleicht gar gerechtfertigt? Die Frage lässt mich nicht los.

Ich bin ehrenamtlich ziemlich engagiert. Bundesverdienstkreuz schon in relativ jungen Jahren und so. Ich gebe allerdings zu: in einem langweiligen Feld. Ich versuche die Lebenssituation von älteren Menschen, ganz besonders Menschen mit Demenz zu verbessern. Eine Scheißkrankheit, die einem Verstand und Lebensqualität raubt. Unwiderruflich.

Mehr anerkannt wäre zur Zeit wohl wenn ich beim NABU, beim BUND, bei der Deutschen Umwelthilfe oder dem ADFC etwas für das Klima tun würde. Habe ich allerdings so gar keine Lust zu. Ich habe nämlich das Gefühl die wollen gar nicht gestalten, sondern nur dogmatisch verhindern und ihre Meinung jedem als allgemeingültig verkaufen. Da sind mir doch Menschen mit Demenz und ihre Familien in der Tat näher. Und ich kann zudem erheblich mehr bewirken als die deutschen 2 (oder wieviel auch immer) % beim Weltklima zu verhindern.

Aber jemand muss ja anfangen. Alte Klimaschutzregel! Hat sich eigentlich schon mal jemand gefragt ob nicht der Klimawandel an den steigenden Demenzerkrankungen schuld sein könnte? Würde mich nicht wundern. Vielleicht mal Greta und Luisa fragen. Das aber nur nebenbei.

Aber zurück zu meiner Frage. Neben einem Fulltime Job der mir ehrlicherweise ein paar Freiheiten lässt, muss ich also ehrenamtliches Engagement integrieren. Und nicht nur ein bisschen. Ich sitze im Vorstand der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, bin Mitglied einer regionalen Alzheimer Gesellschaft, Geschäftsführer eines Landesverbands, alles Ehrenamt.

Das heißt ziemlich viel unterwegs zu sein. Klar könnte ich mit der Bahn fahren. Mache ich auch häufig. Dieses Jahr ca. 20x. 5x davon war nix. Sonst geänderte Wagenreihung, Wagen 6 fehlt, Sitzplätze können nicht angezeigt werden, Klimaanlage kaputt, Gastronomie ausgefallen, Toiletten funktionieren nur in Wagen 2 und 3, von den Verspätungen wegen technischer oder betriebsbedingter Störungen mal ganz abgesehen. …und trotzdem bin ich immer wieder gefahren.

Und nun die Flüge. Vorträge im Rheinland, Gremientreffen in Baden-Württemberg, Fortbildungen in Bayern. Klar, geht auch mit dem Zug. Nur dann schaffe ich es meistens nicht pünktlich hin oder zurück nach Hamburg. Heißt entweder Übernachtung, frühere Anreise mit Start mitten in der Nacht, oder heim kommen weit nach Mitternacht. …und dann ist da ja noch blöderweise der Job. Ich muss ja noch arbeiten. Ehrenamt bezahlt ja keine Rechnungen. Gut für die Seele und das Gewissen, aber schlecht für den Geldbeutel. Nebenbei auch etwas Soziales. Keine Bank, Immobilienfirma, Werbeagentur oder Autoindustrie. Zumindest hier politisch korrekt, yeah.

Ich könnte nun also mein ehrenamtliches Engagement kräftig eindampfen und weniger fliegen. Ist das dann aber im Sinne der betroffenen Menschen mit Demenz und deren Angehörigen? Ist es eigentlich mehr Wert das Klima zu schützen oder hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen? Kann man das aufrechnen. Dann wäre ich vielleicht unschuldig.

Oder ich reduziere mein Engagement ausschließlich auf den Norden. Obwohl, Greta und Luisa waren ja auch in Madrid zum Klimagipfel. Manchmal – besonders wenn man einiges zu sagen hat – lohnt es sich halt persönlich vor Ort zu sein. Als Schüler oder Student hat man ja auch i.d.R. etwas mehr Zeit und kann locker mit dem Schiff oder Zug nach Madrid oder New York. Für Menschen mit wenig Urlaub ist das schon schwieriger, man will ja auch nochmal abseits von Job und Ehrenamt mal ein wenig entspannen. Sonst spielen Körper und Seele ja auch irgendwann nicht mehr mit. Hatte ich zumindest schon.

Nun ja, ich werde auch in diesem Jahr wohl wieder fliegen müssen. Das nächste Dilemma. Der Weltalzheimer Kongress 2020 ist in Bangkok. Das ist mit Fahrrad, Flixbus oder Bahn machbar, aber eher ungünstig.

Schlußbemerkung: in Bangladesch (das ja vom Klimawandel durch Überschwemmungen extrem betroffen ist) werden gerade erstmalig Kohlekraftwerke gebaut. 23 Gigawatt. Das entspricht fast der Leistung aller deutschen Braunkohlemeiler. Neu gebaut wohlgemerkt.

Da fällt mein Frequent Traveller Status – global gesehen – zum Glück noch weniger ins Gewicht. Und ja, das war polemisch. 😊