In einem Pflegeheim in Ludwigsburg gibt es jetzt ein Bahnabteil, in dem die Bewohner auf eine virtuelle Reise geschickt werden können. Das Angebot soll helfen, Erinnerungen an früher zu wecken.
„Es ist ein Zug, den man nicht verpassen kann: in einer Altenpflegeeinrichtung in Baden-Württemberg, ist ein kleiner Raum eingerichtet worden wie ein Zugabteil. Dort können sich die Bewohner künftig auf original Erste-Klasse-Sitzen der Deutschen Bahn niederlassen und auf dem großen Flachbildschirm an der Seite wie durch ein Fenster vorbeiziehende Landschaften betrachten. Mit der virtuellen Reise sollen unter anderem Erinnerungen bei den größtenteils an fortgeschrittener Demenz leidenden Patienten geweckt werden.“
Auch aus einigen Pflegeeinrichtungen in der Schweiz gibt es Berichte von Bahnabteilen in Senioreneinrichtungen.
Das Abteil wurde nicht nur als Rückzugsort vom turbulenten Heimleben und zum passiven Betrachten vorbeiziehender Landschaften eingerichtet, sondern soll auch die Möglichkeit eröffnen, dass die Erinnerung der demenzkranken Menschen gezielt angesprochen wird. So können auch Angehörige und Freunde auf einer SD-Karte gespeicherte Bilder und Videos mitbringen, die dann in dem Zugabteil gezeigt werden können.
Dem Betreiber des Pflegeheims sei bewusst, dass das neue Angebot Gegner auf den Plan rufen könne. Aber er sehe dass Zugabteil als eine Ergänzung der bestehenden Aktivierungsangebote, dessen Nutzen er allerdings noch nicht absehen könne. Man müsse ausprobieren, ob der Bahnraum positive Auswirkungen habe. Es werde jedenfalls niemand gezwungen, ihn zu nutzen, und die virtuellen Reisen würden stets begleitet.
Man kann es auch anders sehen
Das Schweizer Konzept ist mittlerweile verständlicherweise in die Kritik geraten. Unter anderem sprechen die Betreiber dort davon dem Menschen mit Demenz ein Leben in Würde zu ermöglichen. Was ist denn daran wohl würdevoll? Filme laufen normalerweise im Kino oder Fernsehen, oder? Hier wird den Demenzerkrankten schlichtweg eine Scheinwelt vorgegaukelt. Wenn es den Menschen mit Demenz gefällt im Zug zu fahren, könnte die Einrichtung mit de Bewohnern ja gerne mal eine echte Zugfahrt unternehmen. Spricht da eigentlich etwas dagegen? Nöö, außer: „wann sollen wir das denn noch machen?“
Der Betreiber des deutschen Pflegeheims spricht gar von einer „Ergänzung der bestehenden Aktivierungsangebote“. Was ist denn aktivierend daran in einem ehemaligen Sessel der Deutschen Bahn auf einen Bildschirm zu starren? Wahrscheinlicher ist es doch, das versucht werden soll Demenzerkrankte bequem ruhig zu stellen. Wer in einem „Bahnraum“ im Zugabteil rumsitzt macht schließlich gerade keine Arbeit oder wohlmöglich Probleme. …aber zumindest wird ja keiner gezwungen! Na, da haben die Bewohner ja mal richtig Glück!
In einem kleinen Video des „Zugabteils“ in der Schweiz ist zudem noch eine männliche Pflegekraft in weißer Arbeitskleidung zu sehen, der den Schaffner spielt und sogar Kaffee serviert. Hoffentlich ist zumindest dieser nicht so schlecht und überteuert wie bei der Deutschen Bahn.
Lustige Anekdote: In der Schweizer Einrichtung befindet sich seitlich neben dem „Bahnabteil“ ein Aquarium in der Wand was ständig im Blickfeld von mindestens 2 „gerade zugfahrenden“ Bewohnern ist. Ich vermute, dass nun auf den ersten Bewohner gewartet wird, der eine Geschichte als U-Boot-Fahrer hat. Dann wird einfach das Licht ausgeschaltet und die Sitzreihen werden an das Aquarium geschoben. Schon hat man die simulierte U-Boot Fahrt. …das wär’s doch!
Quellen: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ludwigsburg-ein-feiner-zug-fuer-demenzkranke.31ab18de-19e8-4834-a25e-7794b0aac2c0.html – Stand 09.3.15
http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Demente-Bewohner-im-Bethlehemacker-unternehmen-fiktive-Zugfahrt/story/20599776 – Stand 09.03.15
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