Schon mal etwas von der „Six Bricks Methode“ der „Bricks Brothers“ gehört. Wahrscheinlich nicht, oder?

In der Pflege und Betreuung ist das ja auch ein ziemlich neues Thema. Oder sagen wir besser: Wieder ein Versuch den Markt „Demenz, Pflege, Betreuung und Beschäftigung“ von älteren Menschen zu erobern.

Diesmal mit 6 farbigen Duplosteinen aus Kunststoff die als neues Wunderbeschäftigungwerkzeug gepriesen werden.

„Six Bricks ist ein Konzept, das Kinder auf spielerische Weise in eine Vielzahl von Fähigkeiten einbezieht. Wie bei jeder Fertigkeit muss man sie, um sie zu entwickeln, erforschen, erleben und üben. Six Bricks ist eine ganzheitliche, (lehrplan-) unterstützende Methode, mit der die Kinder eine Vielzahl von Grundfertigkeiten und Fähigkeiten erlernen können. Dabei ist immer Bewegung und Spaß involviert.“ (Quelle: https://brick-solutions.de/wp-content/uploads/Was-ist-Six-Bricks.pdf)

Eigentlich wohl für den Einsatz bei Kindern entwickelt,  mag das Konzept dort ja vielleicht sinnvoll sein. Das kann und will ich gar nicht beurteilen. ….und was für Kinder vielleicht gut ist, kann pflegebedürftigen älteren Menschen ja wohl nicht schaden. Also schnell mal das Konzept erweitert und einen „SixBricks Master Instructor Geriatric Care“ benannt. (Warum muss ich – und mein gesamtes Team – bei dieser Bezeichnung eigentlich immer vor Lachen losprusten?).

Was diese unglaubliche Methode alles verbessern kann:

Körperlich: Feinmotorik (Hände und Finger); Grobmotorik (Ganzkörper); Einsatz der Sinne (Sehen, Tasten, usw.); Räumliches Vorstellungsvermögen /
Orientierung Gleichgewicht / Koordination.
Intellektuell:
Aufmerksamkeitsfähigkeiten; Vernunft / Logik Problemlösung / Experimentieren; Gedächtnisfähigkeiten; Kreativität; Vorstellungsvermögen.
Emotional:
Empathie, Motivation, Selbstbewusstsein, Emotionen, ausdrücken; Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl.
Sozial: 
Sprache (Beschreibungen); Perspektivische Zusammenarbeit; Austausch von Ideen / Denken; Geschichtenerzählen Rollen & Verantwortlichkeiten.

….und das ist nur ein Ausschnitt. Ich bin wirklich sehr, sehr beeindruckt was man mit 6 Kunststoffsteinen so alles bewirken kann.

Diese therapeutischen Verheißungen erklären dann eventuell auch, warum dieser Methode in der eigentlich ja recht seriösen Fachzeitschrift „Altenpflege Aktivieren“ allen Ernstes 4 Seiten gewidmet werden.

Dort wird dann überschwänglich erklärt was die Steine alles können. Beispiel gefällig? „Eine Kollegin nimmt einen roten Stein und fragt die Runde was Ihnen zu dieser Farbe einfällt. Welche Früchte im Wald sind rot? Also Vogelbeeren und Fliegenpilze (Anm.: obwohl die ja eher rot/weiß sind). Total beeindruckend. Nächster Schwierigkeitsgrad: Welche Früchte sind nicht rot? ….wirklich euer Ernst?

Noch ein Beispiel gefällig? Man hält den grünen Stein hoch und fragt: Woran erinnert euch der Stein? Als Antwort kommt dann Moos oder Baumrinde. (Anm.: wahrscheinlich würden die meisten antworten: „an einen grünen Legostein meiner Enkelkinder“. Wieso in aller Welt soll ein grüner Duplostein an Moos erinnern?) Und dann kommt man anschließend ins Gespräch zum Thema Wald. So die Theorie. Wie wäre es denn, einfach Moos oder Baumrinde hochzuhalten? Ist ja nun auch nicht so schwer zu besorgen, oder? Ach ja, verdient man ja nichts dran.

Natürlich muss man die Methode ja auch noch richtig lernen. Wohlmöglich richtet man sonst immensen Schaden bei den Senioren an! Nun kommt der „SixBricks Master Instructor Geriatric Care“ ins Spiel. Er vermittelt in Workshops die Grundprinzipien der Aktivierung, die verschiedenen Level, trainiert die Anwendung, die Fragetechniken, die Übungen und zeigt wie man mit Hilfsmitteln wie Wäscheklammern die Steine stapeln kann. Faszinierend, was man aus 6 Kunstoffsteinen so alles machen kann. Vor allem aber wohl eins: Geld!

Also Finger weg von diesem ganzen Blödsinn drumherum. Wenn Sie und ihre Demenzerkrankten oder zu Pflegenden an Legosteinen oder Ähnlichem Spaß haben, kaufen Sie einfach ein paar Duplosteine im Spielwarengeschäft, legen Sie auf den Tisch, bauen etwas oder haben einfach Spaß damit. Das kann jede Betreuungskraft ohne den ganzen pseudotherapeutischen Anstrich der „SixBrick-Methode“.

Am Ende des Artikels in der „Altenpflege Aktivieren“ fällt der Satz: „Das Lächeln ist unsere Belohnung“. Wenn das „Lächeln“ der Tagespflegegäste man nicht ein auslachen ist. Ich könnte es wirklich gut verstehen.